Meine erste Bahnreise
Das Transportmittel der Zukunft im Test von Wien nach München
„Und in den Urlaub sind wir mit der Bahn gefahren.“ So ein Statement begegnet mir immer öfter in meiner Social-Media-Bubble. Dies liegt ganz auf der Linie zahlreicher Umweltschutzorganisationen. Fridays for Future Austria zum Beispiel fordert einen Stopp fossiler Großprojekte, wie den Neu- und Ausbau von Flughäfen und Autobahnen. Auch eine Emissionstabelle des deutschen Umweltbundesamts aus dem Jahr 2019 unterstützt die Wahl von Bus und Bahn für einen umweltschonenderen Fernverkehr. Denn während ein Fernzug und ein Fernbus nur jeweils 29 g Treibhausgase pro Personenkilometer verursachen, stößt ein Auto 154 g und ein Flugzeug 214 g pro Personenkilometer aus.
Abgesehen von Gruppendruck und dem Umweltschutzgedanken hatte ich auch pragmatische Gründe für die Wahl meines Transportmittels. Ich habe kein Auto zur Verfügung und werde im Bus reisekrank. Daher waren meine Optionen, entweder 175€ für einen Flug auszugeben oder ein Bahn-Sparticket um rund 47€ zu buchen.
Also stehe ich mit der Sonne auf und fahre mit einem wenig ausgelasteten Pendlerzug nach Wien. Nach einer ruhigen Fahrt brauche ich erstmal einen Kaffee, um richtig wach zu werden. Mein Erste-Klasse-Sparschiene-Ticket um rund 56 € ermöglicht mir die Nutzung der ÖBB-Lounge im Wiener Hauptbahnhof, wo ein Kaffeeautomat auf mich wartet. Während es in der Halle unter mir hektisch wimmelt, ist neben mir ein grau-melierter Herr mit ziehbarem Aktenkoffer in die Lektüre von zwei Tageszeitungen versunken. Meine Beobachtung, dass ziemlich viele Geschäftsreisende unterwegs sind, wird auch von Statistiken unterstützt. Laut einer Umfrage aus dem Jahr 2015 nutzen 39 % der befragten Österreicher die Bahn bei Geschäftsreisen in Europa. 34 % der Befragten nutzen das Auto, 24 % das Flugzeug und 3 % den Bus.
Als der Zug Richtung Zürich einfährt, ist am Bahnsteig einiges los: Urlauber, junge berufstätige Männer im Smart-Fit-Anzug und ältere Herrschaften suchen ihre Plätze im gut besetzten Zug. Fast alle Reisenden tragen eine FFP2-Maske, obwohl nur ein Mund-Nasen-Schutz vorgeschrieben ist. Als ich endlich einen freien Platz finde, desinfiziere ich ihn, bevor ich mich hinsetze. Leider ist die Sitzlehne dermaßen dreckig, dass auch mein zweites Desinfektionstuch immer noch dunkelgrau statt weiß ist. Zwar wurde laut Robert-Koch-Institut noch keine Covid-Übertragung über kontaminierte Oberflächen außerhalb des Gesundheitswesens nachgewiesen, aber trotzdem fände ich ein wenig mehr Sauberkeit wünschenswert.
Während eine freundliche ÖBB-Mitarbeiterin in der ersten Klasse gratis Zeitungen austeilt und Kaffee-Bestellungen entgegennimmt, fängt das Baby in der Sitzreihe hinter mir an zu quengeln. Seine Reisepartner kann man sich leider nicht aussuchen, und so ist das ganze Abteil trotz FFP2-Masken geruchstechnisch beim Windelwechseln dabei. Das Baby beruhigt sich aber recht bald wieder. Vielleicht auch deshalb, weil der Zug ziemlich ruhig fährt dafür, dass wir mit 198 km/h durch grüne Landschaften und Tunnel rauschen. Generell ist man mit dem Zug recht zügig von Wien nach München unterwegs. Mit einer Fahrtdauer von 4 Stunden und 30 Minuten ist man nur 20 Minuten langsamer als mit dem Auto und über eine Stunde schneller als der Fernbus.
Nach der pünktlichen Ankunft in Salzburg muss ich mich beeilen, ich habe nur zehn Minuten Zeit, um in die Deutsche Bahn nach Erfurt über München umzusteigen. Im Gegensatz zum vorherigen Zug ist hier viel weniger los, ich lasse mich also einfach im ersten freien Abteil nieder. Die Sechserabteile sind doch schon in die Jahre gekommen. Und wie uns Mitarbeiter später mitteilen werden, ist nicht nur die nächste Toilette defekt, sondern auch das Bordbistro. Während uns ein echter bayerischer Schaffner mit angenehm weichen Dialekteinschlag an Bord begrüßt, streifen verwirrte Familien und Freundesgruppen durch den Zug auf der Suche nach ihrem reservierten Abteil. Ein junger Mann mit Dreadlocks und einem Schäferhund klopft bei jedem Abteil kurz an und bittet um Spenden.
Der Grenzübertritt nach Deutschland verläuft problemlos. Zwei Beamte und eine Beamtin der Bundespolizei schauen nur kurz ins Abteil und grüßen mit einem kurzen ‘Moin! ’ . Der prägnanteste Hinweis darauf, dass wir Österreich verlassen haben, ist die ständige Erinnerung über den Lautsprecher, das in Bayern eine FFP2-Masken-Pflicht herrscht. Die eigentlich sehr ereignislose und entspannte Reise wird nur einmal von einem kurzen Stopp bei einer Baustelle unterbrochen. Und schon ist man kurz vor München, packt seine sieben Sachen zusammen und steigt mitten in der Stadt aus.
Insgesamt bin ich trotz einiger Abstriche wie unangenehme Mitreisende oder defekte Ausstattung von Bahnfernreisen überzeugt worden. Nicht nur stößt ein Zug wenig Treibgase aus, sondern ist auch relativ günstig und bietet großzügige Beinfreiheit. Nachdem man während der Fahrt lesen, arbeiten oder einen Happen essen konnte, steigt man einfach entspannt am Zielort aus.
Quellen:
https://fridaysforfuture.at/forderungen
https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html
Recent Comments